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Der Artikel schildert, wie Betrüger Hobbyanleger mit der Aussicht auf hohe Renditen zur riskanten Anlage in Rohstoffunternehmen ködern. Es wird erläutert, wie professionelle Investoren Risiken prüfen und unseriöse Angebote erkannt werden können.

Sie sehen hier den reinen Text in der anonymisierten Form für die Jury. Bilder, Layout oder multimediale Umsetzung sind beim djp kein Bewertungskriterium. Allein das Wort zählt.


Die wunderbare Welt der Rohstoffraketen

Die Aktie der Trench Metals
Corporation muss ein echter
Geheimtipp sein. Zum
einen sind da die Geschäftsaussichten
für das
kanadische Unternehmen,
das nach eigenen Angaben Uranvorkommen
ausbeuten will – in epischer Länge
werden die Pläne auf der Webseite Aktiencheck.de
ausgebreitet. Von epochalen Übernahmen,
historischen Ressourcen und der
Uranentdeckung des Jahres ist dort die Rede.
Zum anderen ist da der Aktienkurs: Ende
Oktober lag er bei schlappen 41 Cent. Ein
Schnäppchen. Oder?
Irgendwer wird wohl früher oder später
an der Aktie von Trench Metals verdienen.
Die Frage ist nur: Wer verdient? Einen Hinweis
liefert eine Bemerkung am Ende der
Werbeprosa. Dort heißt es: Der Auftraggeber
der Publikation oder seine Mitarbeiter
seien Aktionäre von Trench Metals. „Ferner
geben wir zu bedenken, dass die Auftraggeber
der Studie in naher Zukunft beabsichtigen
könnten, sich von eigenen Aktienbeständen
in der Trench Metals Corp. zu
trennen und damit von steigenden Kursen
der Aktie profitieren werden.“ Na so was.
Läuft mit der kanadischen Uranaktie eine
Pump-and-Dump-Masche, der Versuch
Einzelner, den Kurs hochzujagen, um dann
Aktien bei ahnungslosen Anlegern abzuladen?
Das lässt sich nicht sicher sagen.
Trench Metals antwortet nicht auf Anfragen,
ebenso wenig der Verfasser des Werbetextes,
der laut Impressum auch Vorstand der
Aktiencheck.de AG ist. Aber der Gedanke
liegt nahe. Solche Versuche haben bei Pennystocks,
Aktien mit sehr niedrigem Kurswert,
Tradition – vor allem bei Minentiteln
aus Kanada. Und diese Tradition scheint gerade
wieder aufzuleben.

Große Klappe, nichts dahinter

Auf Investment-Homepages, per Börsenbrief
oder in sozialen Medien: Anleger
werden derzeit einmal mehr mit Werbung
für dubiose Rohstoffaktien bombardiert –
Werbung, die oft als unabhängige Analyse
getarnt ist. Gehandelt werden die Titel meist
im wenig regulierten Freiverkehr. Da werden
1000 Prozent Kurschance versprochen, einmalige Investmentmöglichkeiten, grandiose
Gewinne. An erfahrenen Investoren
perlen solche Versprechungen ab. Bei manchen
Anlegern, die in den vergangenen Jahren
neu an die Börse gekommen sind, dürfte
das indes anders aussehen.
„Hobbyanleger kaufen das Zeug“, sagt
Peter Mattil, Fachanwalt für Banken- und
Kapitalmarktrecht. Oft stellten sie dann fest,
dass das keine gute Idee war: „Hinter schätzungsweise
neun von zehn Minenunternehmen,
die bei deutschen Anlegern aggressiv
um Kapital werben, stecken Betrüger. Da ist
keine Substanz dahinter, keine Exploration,
keine Mine, nichts“, sagt Mattil. Und da ist
auch kein dicker Börsengewinn drin – außer
für die Altaktionäre, die die Zahl der ausgegebenen
Aktien sehr schnell erhöhen können.
Und für ihre Promoter, die oft mit Aktien
und Optionen entlohnt werden, die sie
möglichst schnell zu Geld machen wollen.
Der Ukrainekrieg und die Energiewende
haben vielen Menschen in Erinnerung gerufen,
wie abhängig die Wirtschaft von Rohstoffen
ist. Ob Kupfer für Windräder, Uran für
Atomstrom oder Lithium für E-Autos: Ohne Bodenschätze läuft nichts. Nicht zuletzt deshalb
sind die Aktien vieler großer Minen -
gesellschaften in den vergangenen Jahren gut
gelaufen (siehe Grafik Seite 76). Anbieter
halbseidener Pennystocks nutzen das als
Vertriebsargument: Seht her, Rohstoffe sind
begehrt, Minenaktien bringen Rendite! Das
aber gilt bei Weitem nicht für alle Titel.
Im Minensektor gibt es viele Unternehmen,
die nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“
vorgehen. Längst nicht alle haben Erfolg.
Am wenigsten riskant für Anleger sind
die Senior Producer, Konzerne wie der weltgrößte
Goldförderer Barrick Gold, ebenso
sogenannte Royalties wie Franco-Nevada: Diese betreiben selbst keine Minen, sondern
stellen Minenbetreibern Kapital zur Verfügung.
Eine Stufe tiefer rangieren die Junior
Producer, kleinere Minengesellschaften mit
eigener Förderung. Ganz am Ende der Nahrungskette
kommen die Grassroot-Explorer.
Bei den „Graswurzel-Entdeckern“ handelt
es sich um kleine Unternehmen, die irgendwo
ein Rohstoffvorkommen vermuten.
Gibt es das Vorkommen tatsächlich und lässt
es sich ausbeuten, können sich Aktionäre
über einen hübschen Kursgewinn freuen –
zumal der Explorer dann oft samt seiner
Funde von einem der Senior Producer geschluckt
wird, die kaum noch selbst nach
Rohstoffvorkommen suchen. Aber das Risiko
von Fehlschlägen ist groß. „Die Qualität
der Erzkörper hat sich in den traditionellen
Abbauregionen verschlechtert. Man muss
höhere geopolitische Risiken eingehen, um
die Fördermengen stabil zu halten“, sagt Alfred
Grusch, Minenaktienexperte beim
Fondshaus Amundi.

Kneipentratsch als Infoquelle

Um die Risiken eines Mineninvestments
besser einschätzen zu können, geht Tobias
Tretter gern in die Kneipe. Der Geschäftsführer
und Anlagechef der Investmentbou -
tique Commodity Capital mit Sitz in der Schweiz verbringt viel Zeit in Kanada und
anderen rohstoffreichen Ländern, wo Minengesellschaften
sitzen, die um Anlegergeld
werben. „Abends in eine lokale Bar zu
gehen ist oft aufschlussreicher, als dem CEO
zuzuhören“, sagt Tretter.
Einmal habe eine Gesellschaft erklärt,
zum Ausbeuten eines Vorkommens einen
„Pond“ trockenlegen zu müssen, einen
Tümpel also. Im Gespräch mit Einheimischen
erfuhr Tretter: Die angebliche Pfütze
war zirka 30 Meter tief. „Da ist ganz anderes
Gerät nötig, man braucht andere Genehmigungen,
vielleicht leben in dem Gewässer
auch Fische“, sagt Tretter. Er nahm von einem
Investment Abstand.
Ein andermal reiste der Fondsmanager,
der früher für DJE Kapital tätig war, ins Yukon-
Gebiet im äußersten Nordwesten Kanadas
– und stellte dort fest: Eine Minengesellschaft
wollte eine Produktionsanlage mitten
in ein Dorf setzen. Keine gute Idee, befand
Tretter. Die Behörden sahen das offenbar
ähnlich: Das Projekt sei nicht realisiert worden.
In Mexiko habe er bei Besichtigungen
schon Armeeschutz bekommen, erzählt der
Fondsmanager. „Da will man dann auch
nicht unbedingt investieren.“
Es gebe oft eine große Diskrepanz zwischen
den Hochglanzbroschüren und der
Realität vor Ort, sagt Tretter. Von 1000
Explorationsprojekten seien vielleicht ein
oder zwei erfolgreich – und das vor allem
dank erfahrener Führungskräfte. „Fünf Prozent
der Unternehmenslenker haben in diesem
Bereich 95 Prozent der Erfolge.“ Warum
hält sich Tretter nicht an die größeren Gesellschaften,
sondern sucht trotz der Risiken
bei kleinen Unternehmen nach Chancen?
„Bei einem Investment in Konzerne wie Rio
Tinto kann ich keinen Mehrwert liefern“,
sagt er, „da braucht es mich nicht.“

Börsenbriefe von alten Bekannten

Anders als Fondsmanager haben Privatanleger
kaum die Möglichkeit, um die Welt
zu jetten und nachzuschauen, wie ein Abbauprojekt
läuft – und ob es überhaupt existiert.
Für sie ist es sicherer, sich auf große
Minengesellschaften zu konzentrieren (siehe
Kasten Seite 74) oder via Fonds in Minenaktien
zu investieren (siehe Tabelle unten).
Denn der Anteil an Papieren mit Totalverlustrisiko
ist bei Minenaktien enorm – und
diejenigen, die die hochriskanten Papiere
anpreisen, haben viel Erfahrung darin, sie
Anlegern schmackhaft zu machen.
Zum Beispiel auf Rohstoffraketen.de.
Auf der Internetseite wird ein Börsenbrief
angepriesen. Seine Betreiber erreichten mit
Aktien von Junior-Produzenten und Explorationsgesellschaften
„kontinuierlich eine
hohe Trefferquote mit zum Teil unglaublichen
Gewinnen“, heißt es. „100, 500 oder gar
1000% mit den richtigen Explorationsaktien“
seien drin.
Herausgeber des Briefs, der sich aktuell
über die Webseite seltsamerweise nicht
abonnieren lässt, ist laut Impressum die Be-
JoCo Finanzinformationen GmbH. Sie bietet
mehrere bizarr teure Börsenbriefe an. Bei einer
Recherche rund um BeJoCo stießen Redakteure
[des Mediums] Anfang des
Jahres auf ein opakes Firmengeflecht und
landeten vor einer Haustür in Berlin, an der
der Name eines verurteilten Kursmanipulators
prangte ([Medium Ausgabe] 2022). Damals wie
heute reagierte BeJoCo nicht auf Anfragen.
Es passt ins Bild, dass als Geschäftsführer
von Rohstoffraketen.de bis vor einiger
Zeit der ehemalige Vizechefredakteur eines
großen Anlegermagazins firmierte, der einst
ebenfalls wegen Kursmanipulation verurteilt
wurde. Auf Twitter bezeichnet er sich als
„Chief Editor Rohstoffraketen“.

Bullshit-Bingo für Fortgeschrittene

In der Welt der kleinen Minenaktien
sind die Grenzen zwischen spekulativen Investments,
Blödsinn und Betrug fließend.
Das liegt auch daran, dass als Aktienresearch
aufgemachte Beiträge, mit denen Anleger
gefüttert werden, oft bloß Werbeaussendungen
von Minengesellschaften sind.
„Eine Riesen Investment Chance“ biete
sich im kanadischen Goldabbaugebiet Red
Lake, heißt es in etwas holprigem Deutsch
auf der Internetseite tenbagger-report.de. „Im Norden Ontarios ist etwas Großes im
Gange. Wenn Sie ein Goldinvestor sind,
müssen Sie davon wissen.“ Und natürlich davon
profitieren. Besonders gut könnte das
angeblich mit der Aktie des Explorers Cross
River Ventures klappen. Bei einem ähnlichen
Unternehmen seien binnen fünf Jahren
15 639 Prozent (!) Rendite drin gewesen.
Aktueller Kurswert der Aktie von Cross
River Ventures: 0,02 Euro. Zwei Cent. Wer
im Text weiter nach unten scrollt, stößt auf
den Hinweis: „Für die Berichterstattung
über das Unternehmen Cross River Ventures
wurden Verfasser, Herausgeber und Vermittler
entgeltlich belohnt.“
Herausgegeben wird „Tenbagger Report“
von Goldman Global Research in London.
Verwechslungen mit der Investmentbank
Goldman Sachs dürften zumindest in
Kauf genommen werden. Die Geschäftsführerin
leitet laut einer Datenbank ein weiteres
Unternehmen namens Bullrich Media. Über
Investmenthomepages wie boerse.de verbreitet
auch Bullrich Media Werbung für Minenunternehmen,
die aufgemacht ist wie
Aktienanalysen. Eine Anfrage [des Mediums]
blieb unbeantwortet.

Pennystocks und Putzmittel

Die Profis für Pennystock-Poesie sind
meist zur selben Zeit für ein Dutzend Minengesellschaften
oder mehr tätig. So listet
das Ein-Mann-Unternehmen JS Research
mit Sitz im sauerländischen Städtchen Olsberg
unter „Unsere Research Unternehmen“
knapp 40 Namen auf, von etablierten mittelgroßen
Gesellschaften wie Oceana Gold bis
hin zu Explorern wie Labrador Uranium. Die
von JS Research verfasste Werbung wird auf
Anlegerhomepages wie Aktiencheck.de und
Wallstreet-Online.de ausgespielt.
„Labrador Uranium positioniert sich
gerade mit geballter Power für einen geschichtsträchtigen
Uran-Bullen-Markt, der
offenbar gerade beginnt!“, heißt es dort zum
Beispiel. Dem Unternehmen könne ein „fulminantes
2023“ bevorstehen. Im Kleingedruckten
ist zu lesen, dass es sich um einen
Werbeartikel im Auftrag des Uranexplorers
handelt – und dass Autor und Herausgeber
bei Veröffentlichung des Werks selbst Aktien
von Labrador Uranium hielten.
Gelohnt hat sich das wohl eher nicht.
Die Labrador-Aktie steht bei 25 Cent, Tendenz
fallend, seit Monaten. Vielleicht liegt es
an der Performance vieler Exploreraktien,
dass der Geschäftsführer von JS Research,
der über sich selbst schreibt, er beschäftige
sich „seit 1999 mit Börse und Aktienhandel“,
noch ein zweites Standbein hat: Neben dem
vorgeblichen Rohstoffresearch verkauft er
Reinigungsmittel. Auf eine schriftliche Anfrage
antwortet er nicht; die im Impressum
genannte Handynummer ist nicht vergeben.
Man könnte nun fragen: Was soll das eigentlich
alles? Warum buhlen kanadische
Explorer mit halbseidener Werbung massenhaft
um das Geld deutscher Anleger?
Frank Schallenberger glaubt: „Weil es hier eine
Nachfrage nach solchen Investments
gibt.“ Der Rohstoffanalyst der Landesbank
Baden-Württemberg (LBBW) hat schon diverse
Rohstoffzyklen miterlebt – inklusive
reichlich seltsamer Investmentangebote, die
bei einigen Deutschen durchaus auf Interesse
stießen.

Wie sieht Germanium aus?

Da waren zum Beispiel die Seltenen Erden.
Vor rund zehn Jahren zogen auf einmal
Elemente wie Neodym und Lanthan viel
Aufmerksamkeit auf sich. Seltene Erden
werden in vielen Bereichen der Technologiebranche
benötigt, kommen etwa in
Handybauteilen zum Einsatz. Als der Hauptförderer
China im Jahr 2010 den Export beschränkte,
stiegen Nachfrage und Preis –
und bei wohlhabenden LBBW-Kunden klingelten
Männer mit Eimern voller Steine.
Beim Inhalt der Eimer handele es sich
um Seltene Erden, mithin um ein physisches
Investment in die gefragten Rohstoffe, erklärten
die Verkäufer. „Und dann riefen die
Kunden bei mir an und wollten wissen, ob
sie Germanium kaufen sollen“, erzählt Schallenberger.
„Ich habe dann gesagt: Ich weiß
nicht, wie Germanium aussieht. Wissen Sie,
wie Germanium aussieht? Und überhaupt:
Was wollen Sie mit Germanium im Tresor?“
Bei Investments in physische Rohstoffe
rät der LBBW-Analyst zu Zertifikaten – und
bei Aktien kleinkapitalisierter Rohstoffunternehmen
zu höchster Vorsicht. „Wenn ein
ausländisches Minenunternehmen auf Anleger
in Deutschland zugeht, aber nicht einmal
sein Prospekt hier zugelassen ist, sollte
das ein Warnsignal sein“, sagt er. Eine Billigung
durch die Finanzaufsicht BaFin sei das
Mindeste.
Die BaFin unterhält eine Internetdatenbank,
in der Anleger Wertpapierprospekte
und Wertpapierinformationsblätter (WIB)
abrufen können, die auf Vollständigkeit,
Verständlichkeit und Kohärenz geprüft wurden.
Die Aufseher weisen allerdings selbst
darauf hin: „Allein aus der Tatsache, dass ein
Prospekt oder WIB hinterlegt und veröffentlicht
wurde, kann nicht auf die Seriosität
oder Bonität des Emittenten geschlossen
werden.“

„Absoluter Kauf-Tipp“

Wie seriös die Arbor Metals Corporation
ist, mag jeder selbst entscheiden. Glaubt
man den Homepages Lithium-Bericht.de
und Lithium-Aktie.de, ist die Aktie des kanadischen
Unternehmens, das in den USA Lithium
abbauen will, ein Kracher: Sie dürfte
„von allen Börsenkennern als absoluter
Kauf-Tipp bezeichnet werden“. Schade, dass
der Haftungsausschluss an der Unabhängigkeit
dieses Tipps gewisse Zweifel weckt.
Die Veröffentlichung sei „Bestandteil einer
Werbekampagne für das besprochene
Unternehmen“, heißt es dort. Ersteller sei,
wie im Impressum angegeben, „B-Part am
Gleisdeck“. Gemeint ist wohl B-Part am
Gleisdreieck – ein Co-Working-Space in
Berlin (wo man nach eigener Aussage weder
die Lithium-Homepages noch Arbor Metals
kennt). Heiße Tipps aus Kreuzberg zum Lithiumabbau
im Big Smoky Valley in Nevada?
Kann man glauben. Muss man aber nicht.

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