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Der Artikel begleitet eine Jobvermittlerin für langzeitarbeitslose Jugendliche, Petra Fiedler, und einen ihrer Kunden. Aufgrund von Vernachlässigung, mangelnden Qualifikationen/Vorbildern und struktuellen Problemen sei eine erfolgreiche Vermittlung selten, Langzeitarbeitslosigkeit vielfach erblich.

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"Was geht? Hier Jobcenter, Fiedler!"

Petra Fiedler atmet auf ihrem Stuhl tief ein. Dann redet sie in die Stille hinein, die ihr Büro erdrückt, seit ein junger Mann sich auf der anderen Seite ihres Schreibtisches hingesetzt hat und auf seine Oberschenkel starrt.

Die Möbel sind grau im Jobcenter. Ein großer Eckschreibtisch, ein Aktenschrank, an den Wänden ein paar Bilder, auf denen jemand mit Spraydosen "U25" auf Leinwände gesprüht hat, als könne man damit das Jobcenter zu einem einladenden Ort machen. Draußen, hinter den Fenstern, der Wiener Platz, ein KiK, ein Burger King, Vogelscheiße, ein paar kiffende Teenager, Köln-Mülheim, rechts vom Rhein.

"Wie geht es Ihnen?", fragt Petra Fiedler.
"Den Umständen entsprechend", sagt er leise.
"Bei der Abendschule sind Sie jetzt abgemeldet?"
Er nickt.
"Weil Sie bei Flink gearbeitet haben?"
Der junge Mann hebt den Blick.
"Ja, aber jetzt auch gekündigt, nach Überstunden, tagelang, konnte nicht mehr", sagt er.
Kurzes Schweigen.
"Ja, ist dann so", sagt sie.

Der junge Mann heißt Andrej, er wollte eigentlich seinen Realschulabschluss nachholen, den "Zehner", wie Petra Fiedler sagt. Aber dann ist er rausgeflogen, weil er zu oft gefehlt hat. So viel wusste Petra Fiedler, als sie ihn zum Termin einlud, an diesem Tag im Mai 2022. Sie ahnte, dass er sich schämen wird. Dass er seinen Eltern helfen wollte. Und dass er jetzt keinen Platz in der Schule und keinen Job mehr hat und einen neuen Plan braucht. So wie die vergangenen drei Jahre, in denen er immer wieder in Fiedlers Büro kam, weil er einen Plan brauchte.

Jetzt, im Mai 2022, sitzt Andrej also schon wieder vor Fiedlers Schreibtisch und knetet die Hände in seinem Schoß. Sie nimmt einen Kugelschreiber und kritzelt sich eine Notiz auf ein Stück Schmierpapier: "Schule?"

Fiedlers Büro ist in der dritten Etage des Jobcenters, Raumnummer 304. Petra Fiedler ist hier Integrationskraft im U25-Büro. Sie ist eine von rund 100 Mitarbeitern, die hier nichts anderes machen, als sich um die Verlorenen, die Orientierungslosen, die Perspektivlosen zu kümmern, die ihr Leben noch vor sich haben, aber keine Ahnung, wohin es sie führen soll. Sie sind alle zwischen 15 und 25 Jahre alt.

Da ist die junge alleinerziehende Mutter, die nicht weiß, wie sie gleichzeitig ihr Kind betreuen und Geld verdienen soll. Der junge Schulabbrecher, der lieber Drogen verkaufte, als zum Unterricht zu gehen. Die junge Obdachlose, die von ihrem Freund wegmusste und seitdem nicht mehr weiß, wo sie jetzt hinsoll. Den Schule-ist-nichts-für-mich-Teenager, die Zuhause-ist-die-Hölle-Tochter, die Keine-Kraft-mehr-Mutter.

Und da ist Andrej.

Integrationskraft, das ist ein kleines bürokratisches Wort für eine große Aufgabe. Petra Fiedler ist eine große Frau, die Augen klein und dunkel geschminkt.

Sie hat Lachfalten und Nikotinhände und ein Gemüt wie offene Arme. Begleitet man sie ein Jahr lang, sieht man, wie ungenügend diese Bezeichnung ist. Dann erlebt man Fiedler mal als Seelsorgerin, mal als Beraterin, mal als Autorität und Hassobjekt und sehr oft als Mutterersatz.

Überall wird nach Arbeitskräften gesucht. Und dennoch gibt es Millionen Menschen, die niemand will. Seit Jahren oder Jahrzehnten nicht. Den harten Kern der Langzeitarbeitslosen. Trotz der Hilfeschreie der Pfleger, trotz der verzweifelten Handwerker, trotz der streikenden Erzieherinnen.

Arbeitslosigkeit, das zeigt die Statistik, verfestigt sich, je länger ein Mensch nicht arbeitet. Mit jedem Monat, jedem Jahr, wird die Rückkehr schwieriger. Und am schwersten ist es für alle diejenigen, die am Anfang gar nicht erst reingefunden haben, in die Arbeit. Die nie eine Ausbildung abgeschlossen haben. Nie eine Arbeit mehr als ein paar Monate durchgehalten haben. Gut zweieinhalb Millionen Menschen sind in Deutschland arbeitslos. Mehr als jeder Dritte findet nach einem Jahr nicht zurück in den Beruf. Es sind knapp 900.000.

Langzeitarbeitslosigkeit vererbt sich. Oft wird sie in Familien weitergegeben, von den Eltern an die Kinder, an die Enkel.

Langzeitarbeitslosigkeit hat eine lange Geschichte. Und sehr oft beginnt das Problem sehr früh im Leben, lange bevor die Menschen bei Fiedler im Büro sitzen. In den Jobcentern tauchen meist diejenigen auf, die vorher nicht aufgefangen wurden, vom Schulsystem, von ihren Familien, von der Gesellschaft. Und die nur schlecht vorbereitet sind auf die ersten, entscheidenden Jahre im Arbeitsleben. Studien zeigen, dass junge Menschen, die in den ersten Jahren nach der Schule besonders lange arbeitslos waren, später sowohl häufiger als auch länger arbeitslos werden. Nur wenn man sie erreicht, wird man sich jenem Zustand annähern, welcher der Traum der Volkswirte ist: Vollbeschäftigung.

Deshalb sitzt Petra Fiedler hier, mit Andrej. Sie schickt junge Menschen wie ihn zu Bewerbungstrainings, zur Schuldnerberatung, zur Jobmesse, zur Abendschule. Aber vor allem hört Petra Fiedler viel über das, was in Deutschland von denen, die gute Startbedingungen hatten, oft nicht verstanden wird: Sie erlebt die Komplexität des Scheiterns.

Die Menschen, die zu ihr kommen, nennt sie "Kunden", weil sie findet, dass das positiver klingt, so als hätte sie etwas anzubieten. Sie sagt: "Man kann nicht jeden retten, aber man kann zumindest alles versuchen."

"Was ist Ihr Plan jetzt?", fragt Fiedler.
"Erst mal gesund werden", sagt Andrej. "Ich war Mittwoch im Krankenhaus, hatte einen Krampfanfall. Es wird jetzt untersucht, ob es Epilepsie ist, ich warte auf die Ergebnisse, ich hatte so was noch nie, ich bin einfach umgefallen."
Fiedler kritzelt etwas auf ihr Schmierblatt.
"Kann natürlich auch von der Überlastung kommen", sagt sie.
"Ja, ich hab auch Schlafmangel gehabt", sagt er.
"Scheiße", sagt sie.
"Ja", sagt er.

Petra Fiedlers Trostversuche wirken manchmal so klein angesichts der Größe der Probleme der jungen Menschen, die da vor ihr sitzen. 40 Minuten für jemanden, der jede Nacht vom Hämmern eines psychotischen Mädchens aufgeweckt wird, 30 Minuten für eine Frau, die beinah in die Prostitution gezwungen worden wäre. Flyer für jemanden, um den sich nie jemand wirklich gekümmert hat. Ein paar freundliche Worte für jemanden, der neun, zehn, elf, zwölf Jahre lang in der Schule durch jedes Raster gefallen ist.

Je länger Petra Fiedler ihren Job macht, desto mehr versteht sie, wie stark der Gegenwind ist, auf den diese Menschen treffen.

Es sind Biografien, in denen es an allem gefehlt hat, was sonst in einem wohlhabenden Land wie Deutschland reichlich vorhanden ist: kein Geld, kein Gemüse, keine Wohnung, keine Nachhilfe, keine Ruhe, kein eigenes Zimmer, kein Computer, kein Schreibtisch, keine Tagesstruktur, kein geregelter Alltag, keine Erziehung, keine Vorbilder, keine Perspektive, keine Bezugsperson, keine Kindheit, keine Hilfe, keine Ahnung.

Wenn das Leben ein Hochsprung ist, dann springen diese Kinder mit fünf Kilo Gewicht am Knöchel.

Andrej ist 19 Jahre alt und hat kleine braune Augen, zwischen den Zähnen schmale Lücken und einen dunklen Vollbart, am Kinn etwas länger als an den Wangen. Das erste Mal saß er bei Petra Fiedler am 17. Dezember 2019. Damals war er 16. Den Hauptschulabschluss hat er noch gemacht. Danach raus, weil Schule nicht sein Ding war. Der Vater ist arbeitsunfähig. Die Mutter ist arbeitssuchend. Er lebt mit seinen Eltern und drei Geschwistern in einer kleinen Wohnung.

Als Andrej an diesem Mai-Nachmittag bei Petra Fiedler im Büro von seinem Krampfanfall erzählen soll, sagt er nicht viel:

"Was sagen die Eltern?"
"Die waren auch unter Schock, die wussten auch gar nicht, was zu tun ist."

Und als Petra Fiedler und Andrej nicht mehr wissen, worüber sie noch reden sollen, schiebt Andrej seinen Stuhl an den Tisch.

Zum Abschied sagt Fiedler:
"Dann wünsche ich Ihnen auf jeden Fall alles Gute erst mal."
"Ihnen auch. Und Ihrem Vater auch."
"Jaja stimmt, meinem Papa auch. Jaja, die Eltern, ne?"

Dann geht Andrej, ohne noch etwas zu sagen.

Mit der Einführung von Hartz IV bekam die deutsche Sozialpolitik ein neues Leitmotiv: Fördern und Fordern. Aber wie viel kann man von Menschen verlangen, die in so großer Armut aufgewachsen sind, dass der Mangel sich in ihre Körper und Köpfe eingeschrieben hat? Studien zeigen, dass Kinder armer Eltern kleinere Gehirne haben. Dass sie weniger leistungsfähig sind. Dass sie ein schlechteres Gedächtnis haben, schlechter langfristige Entscheidungen treffen können, schlechter Emotionen kontrollieren können. Arme Kinder wachsen sozial isoliert auf, sie erleben öfter Gewalt, sie haben ein geringeres Selbstwertgefühl, sie leiden häufiger an psychischen Krankheiten, sie ernähren sich schlechter, sie sind deswegen öfter krank, sie entwickeln sich dadurch langsamer, sie lernen dadurch schlechter, sie machen nur halb so oft einen Schulabschluss.

Über Andrej sagt Petra Fiedler: "Er will immer, er hat immer mitgemacht, aber immer, wenn er was anfängt, geht irgendwas in seinem Leben schief."

Drei bis vier Kunden sieht Petra Fiedler pro Tag. Drei- bis viermal pingt dann in ihrem Büro ihr Computer. Drei- bis viermal steht sie dann von ihrem Schreibtischstuhl auf, zupft ihr Kleid zurecht, fährt mit dem Aufzug in die Eingangshalle, holt ihren Kunden ab, fährt mit ihm gemeinsam wieder hoch in ihr Büro, bietet ein Glas Wasser an und setzt sich ihm gegenüber wieder auf ihren Stuhl. Dann führt sie ein Gespräch, das manchmal fünf und manchmal vierzig Minuten dauert, bei dem manchmal jemand schweigt und manchmal jemand weint, bei dem Frau Fiedler manchmal erinnert und manchmal erklärt, manchmal ermutigt und manchmal tröstet, manchmal am Ende einen Flyer für ein "Angebot" raussucht, weil Fiedler nicht "Maßnahme" sagen will. Auch wenn alle wissen, dass die "Angebote" wahrgenommen werden müssen, sonst werden irgendwann die Leistungen gekürzt. Manchmal hört sie auch einfach nur zu, weil ihr ein Mensch gegenübersitzt, der sonst nicht weiß, wem er das alles noch erzählen soll.
Praktika, Arbeitsproben, wo soll er die hernehmen?

Ping. Frau, 24, aus Hamburg zurück nach Köln gezogen, weil ihr Freund sie zur Prostitution überreden wollte. Jetzt fühlt sie sich leer, weiß nicht, was sie machen will, Hauptsache arbeiten. Fiedler schickt sie zu den Kölner Jugendlotsen, einem Verein, der erst mal beim Wichtigsten hilft: Wohnen, Schulden, Behörden, Gesundheit. "Erst mal Stabilisierung", sagt Fiedler. "Die ruf ich in ein paar Wochen wieder an."

Praktika, Arbeitsproben, wo soll er die hernehmen?

Ping. Mann, Anfang 20, der Erste, der in seiner Familie Abitur gemacht hat, beide Eltern sind arbeitslos, gerade hat er fünf Monate Regale bei Lidl eingeräumt, dann gekündigt, Knie kaputt, Rückenschmerzen, in der Hand hält er seinen Lebenslauf.

Bevor sie ihn abholt, sagt Petra Fiedler: "Wenn er kommt, sag ich ihm erst mal, dass er besser nicht selbst kündigen sollte. Sonst kriegt der irgendwann kein Geld mehr von uns."

Als der junge Mann ihr gegenübersitzt, handeln sie sein Leben in 17 Minuten ab.

Sie reden erst mal über diese Rückzahlung, die seine Familie an das Jobcenter zahlen soll. Eine offene Forderung aus dem Jahr 2013, da war er elf oder zwölf, 900 Euro soll er jetzt zahlen. Die letzten Monate ist dafür sein Lidl-Gehalt draufgegangen. Bei der Leistungsabteilung hat er niemanden erreicht, deshalb hat er Petra Fiedler geschrieben.
"Sie haben ja Abitur, das ist doch schon mal super. Was haben Sie denn für Pläne mit dem Abitur?"

Der junge Mann sagt, er suche nach einem Studienplatz, Mediendesign vielleicht, am liebsten ein duales Studium, weil dann "Kohle reinkommt", aber für die, die ihm gefallen, braucht er Praktika und Arbeitsproben, und wo soll er die hernehmen?

"Sie haben in Ihrer letzten Mail geschrieben, dass Sie jetzt wieder eine Arbeit suchen?"
"Bis zum Studium würd ich gern wieder arbeiten, vielleicht im Büro oder so. Praktikum hab ich ja eh keine Chance." Ohne Bezahlung zu arbeiten, kann er sich nicht leisten.

Fiedler stellt noch ein paar Fragen, notiert ein paar Sachen, am Ende gibt sie ihm einen Flyer für einen Berufsorientierungstest im Jugendbüro. "Dauert so ne halbe Stunde", sagt sie. "Plan B mal im Hinterkopf zu haben, kann ja nie schaden."

"Noch Fragen?"
"Ach so ja, ich wollt noch mal fragen, wegen Dings, ich würd ja gern ausziehen, ob ich jetzt vielleicht darf?"

Fiedler erklärt, dass sie ihm das mit dem Ausziehen nicht erlauben könne, die schwerwiegenden Gründe fehlten: Gewalt, Gefahr. Also müsse er zu Hause wohnen bleiben. Die Regeln des Jobcenters sind starr. Junge Erwachsene bilden mit ihren Eltern eine "Bedarfsgemeinschaft", wenn die ebenfalls Bürgergeld bekommen. Erst wenn er 25 ist, ändert sich das. Fiedler sagt, es täte ihr leid. Einen Auszug würde das Jobcenter nicht zahlen.

"Ich zwing keinen, irgendwo hinzugehen, aber nutzen Sie das Angebot, es hilft wirklich."
"Ja, mach ich."
"Ich geb Ihnen mal einen Flyer mit."
"Ok."

Petra Fiedler reicht zum siebten Mal an diesem Tag einem Kunden einen Flyer einer Maßnahme, als sei er ein Geschenk, obwohl hier mitzumachen eine Bedingung dafür ist, dass das Jobcenter weiter Geld überweist. Als der junge Mann gegangen ist, sagt Fiedler: "Das mit den Rückenschmerzen kann man ihm jetzt glauben oder nicht."

Manchmal wirkt Petra Fiedlers Zuneigung fast mechanisch. Wie ein einstudierter Ablauf. Dann erinnert es daran, dass Petra Fiedler mit ihrem warmherzigen Gemüt in einer ziemlich kaltherzigen Behörde sitzt. Dass auch ihre Mittel nicht nur Wärme sind, sondern hin und wieder Zwang. Und dass ihre Hilfsangebote selten ausreichen, um dem Problem zu begegnen, das sie lösen soll. Dass oft das Einzige, worauf sie hoffen kann, kleine Triumphe sind. Niemand kann erwarten, dass eine einzige Frau, mit ihren Flyern und Maßnahmen, mit ihren Hilfsangeboten und warmen Worten, einen Menschen in die Mitte der Gesellschaft zurückholen kann, der sein gesamtes Leben an den Rand gedrängt wurde.

Wenn Kunden bei Petra Fiedler sitzen und nicht wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen, dann erzählt sie oft von ihrem eigenen Leben, von ihren kranken Eltern, ihrer dementen Mutter, ihrem Vater, der im betreuten Wohnen lebt, seit sein Haus durch die Flutkatastrophe im Ahrtal weggespült wurde, davon, dass sie zweimal die Woche zu ihnen fährt, um für "Vatter" einkaufen zu gehen. Und sie erzählt ihnen von ihrem "früheren Leben". Petra Fiedler hat mal Erzieherin gelernt, dann im Kinderheim gearbeitet, später noch Sozialpädagogik studiert. 1984 wurde sie fertig. Aber es gab keine Jobs. Fiedler machte eine Umschulung beim Arbeitsamt zur Industriekauffrau, arbeitete 30 Jahre bei einem Reiseveranstalter. Einkauf, Hotelverträge, Abteilungsleitung. Bis der Reiseveranstalter "umstrukturierte". Fiedler verlor ihren Job. Durch eine Freundin kam sie ins Jobcenter. Fiedler war froh, dass sie im U25-Team landete. Sie machte plötzlich genau das, was einmal ihr Traum gewesen war: mit jungen Menschen arbeiten.

Acht Jahre ist sie nun hier, in diesem Büro, in dem es immer ein bisschen nach gebratenem Hähnchen riecht, wenn man das Fenster aufmacht, und die Luft vom Wiener Platz reinzieht. 63 Jahre alt ist sie inzwischen. An die Wand hinter ihrem Schreibtisch hat Fiedler ein Poster von Lukas Podolski gehängt. "Sie glauben gar nicht, wie viele Jungs ich mit dem kriege. Wenn die Jungs dann sagen: 'Öh, du bist FC?' Und ich dann sage: 'Neee, ich bin Schalke!'" Fiedler schüttelt die kleine Bonbondose mit dem FC-Schalke-04-Logo, die auf ihrem Schreibtisch liegt, sie grinst. "Und dann sag ich zu denen: Aber der Poldi hat ja auch ne Geschichte." Lukas Podolski, der Weltmeister, der zu viert auf eineinhalb Zimmern groß wurde, der in Deutschland erst mal auf die Hauptschule ging, seinen Schulabschluss nachholte, der die eine oder andere Anzeige kassierte, der in Interviews sagt: "Es macht etwas mit einem, wenn man aus solch einfachen Verhältnissen kommt."

Im Oktober 2022 wird Andrej nicht zu seinem nächsten Termin bei Petra Fiedler kommen. Es ist viel passiert, seit er Fiedler gesehen hat. Andrej hat eine Diagnose bekommen für die Ausfälle, die er hatte: Epilepsie. Und er hat etwas Glück gehabt: Ein Metallbetrieb hat ihm eine Weiterbildung angeboten. Andrej soll jetzt Schweißer werden.

Andrej selbst wollte eigentlich Automechatroniker lernen. Oder irgendwas anderes mit Autos. Aber er hat nur einen Hauptschulabschluss. Deswegen bekommt er dort keinen Ausbildungsplatz. Manchmal wundert sich Petra Fiedler, wenn in der Presse steht, dass so viele Ausbildungsplätze frei seien, und sie gleichzeitig täglich sieht, dass man mit einem Hauptschulabschluss kaum noch etwas anfangen kann. Dass die Menschen händeringend suchen und gleichzeitig die Ansprüche an jede Arbeit, an jede Qualifikation weiter steigen.

Auch deshalb wollte Fiedler, dass Andrej zur Abendschule geht, den Realschulabschluss nachholt. Nun also ein neuer Plan: Petra Fiedler ist irgendwann zu ihrem Chef gelaufen und hat darum gebeten, Andrej eine Weiterbildung zu bezahlen. Weil Schweißer ein Mangelberuf ist. Eine Weiterbildung kostet das Jobcenter weniger als eine Langzeitarbeitslosigkeit. Ihr Chef hat Ja gesagt.

Petra Fiedler lächelt, als sie in ihrem Büro davon erzählt. Von ihrer Idee, davon, wie sie sich für Andrej eingesetzt hat.

Sechs Monate soll Andrejs Qualifikation gehen. Vollzeit, Montag bis Freitag, 8–17 Uhr. Theorie und Praxis. Dann die Schweißerprüfungen. Anerkannte Zertifikate. Andrej wäre danach ausgebildete Fachkraft. "Das muss er jetzt auch durchziehen", sagt Petra Fiedler. Sie hofft, dass sie ihn in ihrem Büro nicht wiedersieht.

Als Petra Fiedler beim Jobcenter anfing, bekam sie eine klare Anweisung: vermitteln. Vermitteln. Vermitteln. Helfer, Fließband, Kasse, Zeitarbeitsfirma. Quote. In der Hartz-IV-Sprache nannte man es "Vermittlungsvorrang".

Als Hartz IV im Jahr 2005 eingeführt wurde, stand Deutschland vor einem historischen Problem: Menschen, die Arbeit suchten, hatten gute Qualifikationen, der Arbeitsmarkt hatte aber schlechte Angebote. Gut qualifizierte Arbeitskräfte waren also gezwungen, schlechte Jobs zu machen.

Fast 20 Jahre später hat sich das Bild ins Gegenteil verkehrt. Der Arbeitsmarkt hat jetzt gute Angebote. Jede Menge. Aber es gibt nicht mehr genug qualifizierte Arbeitskräfte. Die Menschen, die heute Arbeit suchen, haben deutlich schlechtere Qualifikationen als noch vor 20 Jahren. 70 Prozent der Arbeitslosen, die Geld vom Staat bekommen, haben keinen richtigen Berufsabschluss. Dafür bleiben heute Hunderttausende Ausbildungsplätze unbesetzt, 256.000 waren es im Juni, um genau zu sein. Überall fehlt es an Arbeitskräften. Dabei sind die größten Babyboomer-Jahrgänge noch gar nicht in Rente und die kleinsten Geburtenjahrgänge noch in der Schule.


Mit jedem Jahr wird es dramatischer, dass es da Millionen Menschen gibt, die der Arbeitsmarkt dringend bräuchte und dennoch nicht gewinnen kann. Seit zehn Jahren ist die Quote der Schulabbrecher in Deutschland unverändert hoch: gut sechs Prozent. Mehr als 2,5 Millionen der 20- bis 34-Jährigen in Deutschland haben keinen Ausbildungsabschluss. So viele wie noch nie zuvor. Viele von ihnen finden dadurch keinen oder nur einen schlechten Job. Gut 600.000 Arbeitslose unter 25 sind beim Jobcenter gemeldet.

Früher war es, als hätte das Puzzle am Ende immer noch übrige Teile. Heute ist es, als würde man mit den falschen Teilen versuchen, zu puzzlen.

Um das Problem zumindest abzuschwächen, sehen Arbeitsmarktforscher nur eine Lösung: Langzeitarbeitslose zurückgewinnen. Ausbilden. Investieren. Arbeitsmarktforscher sagen, Deutschland könnte noch etwa einer Million Menschen Jobs geben. Deutschland müsste sogar.

Der Vermittlungsvorrang wurde mit dem Wechsel zum Bürgergeld aufgehoben. Und Menschen wie Petra Fiedler sollen jetzt retten, was irgendwie noch zu retten ist. All die Menschen zurückholen, die das Bildungssystem an den Rand gedrängt hat.

Sie befindet sich dabei dort, wo Deutschland am verschwenderischsten mit Arbeitskraft umgeht: Kaum ein anderes Bundesland hat einen so hohen Anteil an Langzeitarbeitslosen wie Nordrhein-Westfalen.

März 2023. Es ist noch kalt, die Sonne steht schon tief, als Andrej nach Feierabend zur Bahnhaltestelle schlurft. Er trägt eine schwarze Mütze, seine Hände stecken in den Taschen seiner schwarzen Arbeitshose, er zieht eine gedrehte Zigarette aus einem Etui und steckt sie sich an.

Andrej erzählt von seinen ersten Schweißnähten, von den Prüfungen in der Berufsschule, von seinem Meister, "netter Typ", sagt er, "der glaubt an mich", sagt er. "Macht mega Bock", sagt er auch, zweimal sogar, als sei ihm wichtig, dass das ankommt. Seit er jeden Tag Tabletten gegen die Epilepsie nehme, habe er keinen Anfall mehr gehabt. Viel mehr sagt er nicht, weil Andrej kein Typ ist, der viel sagt. Fragt man ihn nach dem Verhältnis zu seinen Eltern, sagt er "gut". Fragt man ihn, was er macht, wenn er nicht arbeitet, sagt er "nicht viel". Jedes Gespräch mit ihm fühlt sich an, als würde man ihn verhören. Andrej antwortet wie ein Junge, der nicht gelernt hat, von sich zu erzählen, weil sich bisher kaum jemand für sein Leben interessiert hat.

Auf die Frage, wie es ihm gerade geht, antwortet er lange nicht. Dann erzählt Andrej doch noch, dass er nicht schlafen könne. Zu Hause, das ein achtstöckiges Hochhaus ist, sei Terror. Wegen der Nachbarin mit ihrer psychisch kranken Tochter. Nachts schlage sie gegen die Wände, sein Zimmer sei auf der anderen Seite, "pamm, pamm, pamm, die ganze Zeit". "Jugendamt, Polizei war schon da", sagt Andrej. "Aber kann man nix machen." Deswegen schlafe er kaum.

Und dann noch das mit seiner Oma. Gestorben, Anfang des Jahres. Eine Woche ist er noch arbeiten gegangen. "Dann kam's an." Andrej wurde zwei Wochen krankgeschrieben, auch nicht das erste Mal, sagt er. Na ja, jetzt viel Stoff verpasst. "Ist scheiße, weiß ich auch." Vielen der Jugendlichen, die Frau Fiedler betreut, geht es so: Sie haben oft keine Reserven, keine Kraft, um außergewöhnliche Herausforderungen zu bestehen. Alle ihre Energie brauchen sie, um den Alltag zu meistern. Alles, was darüber hinausgeht, haut sie um.

"Der ist ein Guter. Auf den konnte ich mich immer verlassen"

Eigentlich sollte Andrej an diesem Märztag in zwei Wochen mit seiner Weiterbildung fertig sein. Aber er hat zu viel gefehlt, zu viel Unterricht verpasst, praktische Prüfungen nicht bestanden, sein Meister sagt, ihm fehle es noch an Feinmotorik. Jetzt muss er warten, hoffen, dass seine Weiterbildung verlängert wird. Dass das Jobcenter länger zahlt, dass Petra Fiedler es wieder rettet.

Über Petra Fiedler sagt Andrej: "Ich mag die echt gerne. Ich würde meine Betreuerin niemals wechseln wollen. Wir kennen uns ja auch schon voll lange."

Über Andrej sagt Petra Fiedler: "Der ist ein Guter. Auf den konnte ich mich immer verlassen."

Auf eine Petra Fiedler kommen bei den unter 25-Jährigen 150 bis 200 Kunden. Die anderen Kollegen, die mit Erwachsenen arbeiten, haben 400 bis 500 Kunden. Fiedler sagt, manche ihrer Kunden würden dann zu sogenannten Schrankfällen. Abgeheftet und vergessen. Langzeitarbeitslose. Teufelskreis. Gegenüber dem Büro von Frau Fiedler liegt das Büro für das "Fallmanagement". Dort müssen die besonders Hoffnungslosen hin. Fiedler will verhindern, dass sie einen ihrer Kunden in das Büro auf der anderen Seite des Flures schicken muss.

Am Anfang hat Petra Fiedler vor jedem Gespräch die ganze Akte gelesen. Weil sie dachte, sie wäre dann besser vorbereitet.

Dann stand da manchmal unter Termin: "Nicht erschienen. Nicht erschienen. Nicht erschienen. Nicht erschienen. Nicht erschienen. Nicht erschienen."

Oder unter Mutter: "Reinigungskraft." Und unter Vater: "arbeitslos, arbeitsunfähig, arbeitslos, arbeitslos, mangelnde Verfügbarkeit, arbeitslos, arbeitslos, Maßnahme besucht, arbeitslos, ortsabwesend, arbeitslos, arbeitslos, arbeitsunfähig, Maßnahme besucht, arbeitslos, arbeitslos."

Oder manchmal stand da nur: "Wird schon mal frech am Telefon."

Irgendwann hat Fiedler damit aufgehört, sich die Akten anzusehen. Sie will nicht beeinflusst werden. Sie will erst mal zuhören, sie sagt: "Am Ende kommt da jemand rein und erzählt eh was ganz anderes." Es ist der Versuch in einer sehr großen bürokratischen Maschine noch einen Menschen zu sehen.

Ping. Schulabbruch. Ping. Obdachlos. Ping. Zigarette rauchen. Ping. Angebot, können Sie sich ja mal angucken. Ping. Alleinerziehend. Ping. Lebenslauf vergessen. Ping. Leistungsabteilung, ich versuch da mal was herauszufinden für Sie. Ping. Job-Speeddating, coole Sache! Ping. Wie verbleiben wir denn jetzt? Ping. Flyer mitgeben. Ping. Jugendbüro. Ping. Schuldnerberatung. Ping. Mit Kappe aber nicht zum Bewerbungsgespräch! Ping. Ping. Ping. Ping.

Petra Fiedler sanktioniert nur, wenn es nicht mehr anders geht. Sie zwingt ihre Kunden nicht, irgendwelche Maßnahmen zu besuchen. Sie sagt, die jungen Menschen müssten selbst entscheiden, sonst brächen sie eh irgendwann wieder ab.

Sie lädt keinen Kunden vor zehn Uhr zum Termin ein, weil sie die jungen Leute nicht "zanken" will – "was sollen die sich um acht Uhr hier hinquälen?". Wenn Fiedler einen Kunden in der Bahn oder vorm Rewe trifft, dann freuen sie sich und sagen: "Guckt mal, das ist Frau Fiedler, das ist meine vom Jobcenter."

Wenn Fiedler einen Kunden länger nicht erreicht, ruft sie freitagnachmittags mit unterdrückter Nummer an und wenn sie dann dran gehen mit "Ey, was geht?", sagt sie: "Was geht? Hier Jobcenter, Fiedler!"

Wenn Petra Fiedler das Gefühl hat, ein Kunde mache nicht mit, dann fragt sie: "Haben Sie denn Bock darauf, immer Jobcenter?" Dann sagt sie anschließend: "Die sollen ja auch nicht denken, hier wär Woodstock."

Je länger man in Petra Fiedlers Büro sitzt und beobachtet, wie sie wedelt und aufschreibt, herumläuft, ausdruckt, desto mehr vergisst man, dass Petra Fiedler Menschen berät, die keine Wahl haben, außer sich beraten zu lassen. Dass jede Beratung, jede Maßnahme, jedes Gespräch mit Fiedler eine Pflicht ist, um Geld zu bekommen. Petra Fiedler gibt den Menschen, die zu ihr kommen, das Gefühl eine Wahl zu haben, wo sie längst keine mehr haben.

Die Statistik sagt: Die Integrationsquote bei unter 25-Jährigen liegt bei 29,1 Prozent. Trotz enger Betreuung wird nur jeder Dritte erfolgreich vermittelt.

Petra Fiedler sagt: "Von zehn hat man einen, wo man denkt: ja! Und das ist es wert." Und für diese Menschen geht sie dann sehr viel weiter, als sie müsste. So jemanden wie Andrej.

Am 12. April schreibt Andrej der Reporterin: "muss operiert werden deswegen haben wir erstmal ein stop gemacht was das ganze angeht nach der op wenn ich genesen bin fange ich wieder an".

Kurz darauf, an einem Spätfrühlingsnachmittag, steht Andrej vor seinem Haus, weiße Trainingsjacke, schwarze Jogginghose, die Haare ordentlich um das runde Gesicht gekämmt. Im Hintergrund springen zwei Kinder auf den Mülltonnen Seilchen. Vor der Tür parkt eine weiße Mercedes-Limousine. Eine blinde Frau tastet gerade mit ihrem Stock den Weg zu den Briefkästen, es sind 49 Stück.

Andrej lächelt zur Begrüßung, seine Augen blicken sich kurz um, bevor er vorschlägt, spazieren zu gehen. In der Wohnung sei viel los, seine Mutter, sein Vater, seine drei Geschwister. Sein Vater: kaputte Bandscheiben, kann nicht arbeiten. Seine Mutter: gerade auf Jobsuche, Einzelhandelskauffrau. Seine Zwillingsschwester macht eine Ausbildung zur Erzieherin, zweites Ausbildungsjahr. Der Mittlere lernt gerade für die letzte Prüfung für den Zehner, dann will er Fachabi machen. Der Kleinste ist sieben, geht zur Grundschule. Andrej sagt, er möge seinen kleinen Bruder. Und dass er sich viel um ihn kümmere.

Wenn Andrej durch die Straßen um das Hochhaus biegt, läuft er eine Route, die er Tausende Male gegangen ist. Andrej wohnt schon sein ganzes Leben in Köln-Mengenich. "Ich kenn hier jede Ecke", sagt er, zeigt auf die Häuser, in denen seine Freunde wohnen. Mit dem einen ist er zum Kindergarten gegangen, der andere ist der mit dem Vater, der mitbekommen hat, dass Andrej keinen Ausbildungsplatz findet und deswegen irgendwann bei seinem Freund angerufen hat, der Chef ist in einer Schlosserei. Zu dem habe er dann gesagt: Nächste Woche komme jemand vorbei und unterschreibe. So sei das ja überhaupt erst gekommen, die Idee mit der Weiterbildung und dem Schweißer. "Ich wurd da voll ins kalte Wasser geschmissen, aber ich dachte, geil, wenigstens Arbeit."

Andrej erzählt von einer Brandwunde an seinem linken Fuß, die er hat, seit er ein Kleinkind war. Irgendein Tag, an dem sie damals allein zu Hause waren, seine Schwester und er. Sie haben gespielt. Irgendwie hat er sich dabei kochendes Wasser über den Fuß gekippt, wie genau weiß er nicht mehr. Die alte Wunde hat sich wieder entzündet, seit er in der Schlosserei arbeitet. Die Sicherheitsschuhe, die er tragen muss, reiben an ihr.

Im Juni soll Andrej operiert werden.

An diesem Nachmittag im Mai sagt Andrej, dass es seine erste Operation sei, dass er schon auch Angst habe. Und wenn man ihn fragt, ob er weitermachen will, sagt er: "Was soll ich sagen, außer dass ich das will? Der Rest liegt doch eh nicht in meiner Hand."

Bis zur Operation trifft Andrej sich mit Kollegen, holt seinen Bruder von der Schule ab, hilft zu Hause, schläft nicht gut, versucht trotzdem früh aufzustehen, damit er es nicht verlernt. Sonst Langeweile.

Andrej sagt: "Man gewöhnt sich an die Katastrophen."

Und irgendwann sagt er dann noch: "Ja, das Leben halt."

Am 13. Juni wird Andrej am linken Fuß operiert.

Am 5. Juli verkündet die Bundesregierung, im kommenden Bundeshaushalt bei den Jobcentern einzusparen, 700 Millionen Euro. Die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, sagt, die Jobcenter seien dann "schlichtweg nicht ausreichend finanziert". Die Jobcenter würden bereits jetzt reagieren und weniger Maßnahmen für die Integration von Langzeitarbeitslosen planen.

Am 6. Juli beschließt die Bundesregierung, die Beratung und Vermittlung von Bürgergeldempfängern, die unter 25 sind, neu zu regeln. Das Arbeitsministerium will damit Steuergelder sparen, 900 Millionen Euro. Es sollen "überlagernde Zuständigkeiten wegfallen", "weitreichende Umstellungen der heute bestehenden Strukturen" erfolgen, mit "großen Veränderungen für die Menschen, die Tag für Tag Jugendliche auf dem Weg ins Arbeitsleben begleiten". Für jemanden wie Petra Fiedler also. Was genau sich verändert wird, ist noch unklar, aber es kann sein, dass dies die letzten Jugendlichen sind, die Frau Fiedler betreut.

Am 10. Juli bewirkt Petra Fiedler, dass Andrejs Weiterbildung ein weiteres Mal verlängert wird. Andrej soll im August weitermachen. Vier Monate hätte er noch.

Am 11. Juli schreibt Andrej per WhatsApp: "mir gehts an sich gut ich weiß auch nicht wieso ich noch zu Hause bin [...] freue mich so sehr auf den ersten tag kann es kaum noch erwarten wieder zur schule zu gehen 🙂".

Am 14. Juli, zwei Wochen bevor Andrejs Ausbildung weitergehen soll, schickt Andrej eine Sprachnachricht, sie ist 30 Sekunden lang. Andrej hatte wieder einen epileptischen Anfall. Er saß dabei am Steuer. Es gab einen Unfall. Andrej liegt im Krankenhaus. Aufprall, Kopfschmerzen. "Wir sprechen wieder, wenn es mir besser geht", sagt er zum Schluss.

Am 1. August meldet sich Petra Fiedler: Andrejs Neurologe sagt, dass Andrej als Schweißer nicht weitermachen könne. Das Risiko sei zu groß. Auch Andrejs Betrieb sagt, dass es zu gefährlich sei. Sie treffen eine Entscheidung. Andrej muss seine Weiterbildung abbrechen.

Petra Fiedler schreibt einen neuen Vermerk in Andrejs Akte: "Status: Wieder arbeitslos".

Seit vier Jahren sitzt Andrej wieder und wieder bei Petra Fiedler im Büro.

Sie sagt: "Jetzt geht das von vorne los."

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