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Der Artikel schildert die Etappen der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS: Diese sei zwar das Ergebnis jahrzehntelangen Missmanagements, durch seinen kompromisslosen Glauben an die Rettung der Bank habe CS-Präsident Lehmann es jedoch versäumt, frühzeitig mit anderen Interessenten (Blackrock) in Verhandlungen zu treten, daher habe das Traditionshaus einen unnötig schlechten Preis erzielt.

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So hätte die CS nicht enden müssen

Die Todesnachricht kommt am Samstagmorgen. Die halbe Schweiz ist noch am Schlafen. Es ist der 18. März 2023, und der Informationsdienstleister Bloomberg verbreitet gerade diese Eilmeldung:

Samstag, 8 Uhr 15: UBS prüft Übernahme zur Rettung der Credit Suisse
Der Schock ist gross. Bis vor kurzem haben Experten den Zusammenschluss der beiden Schweizer Grossbanken als Hirngespinst abgetan. Zu teuer, zu kompliziert, von den Behörden nicht gewollt. Oder einfach gesagt: schlicht nicht umsetzbar.

Alles richtig, in normalen Zeiten. Doch an diesem Samstagmorgen sind die Zeiten alles andere als normal. Die Credit Suisse rettete sich mit ihren letzten Kräften in dieses Wochenende. Und nun ist klar: Sie wird es nicht überleben.

Nach 166 Jahren, 8 Monaten und 14 Tagen.

Bis zuletzt hofften alle auf das Gegenteil – dass die Krisenbank irgendwie noch die Kurve kriegt. Einige kauften vor dem Wochenende sogar noch Aktien und glaubten an ein Schnäppchen. Eine teure Wette. Denn die stolze Credit Suisse macht in diesen Stunden ihre letzten Herzschläge, vor den Augen der ganzen Welt. Diese Herzschläge sind für alle sichtbar, anhand der Kadenz von Eilmeldungen von Bloomberg. Erst langsam und stetig, dann immer hektischer, panischer – bis es plötzlich ganz still wird.

Ein Jahr später wird klar: Dieses traurige Ende wäre vermeidbar gewesen. Das zeigen Gespräche mit zahlreichen Insidern und Beteiligten. Sie zeichnen das Bild einer CS-Führung, die ohne Plan B ins Fiasko geschlittert ist. Bis zuletzt glaubte die Spitze um den Verwaltungsratspräsidenten Axel Lehmann und den Konzernchef Ulrich Körner an eine Wunderheilung des todkranken Patienten.

Todkrank war die Credit Suisse schon lange – durch jahrzehntelanges Missmanagement. Dafür können Lehmann und Körner nichts. Für dieses desaströse Ende hingegen schon – durch ihr stures Festhalten an einer Strategie, die schon Wochen, wenn nicht Monate zuvor gescheitert war.

Mehr Realitätssinn zeigte ausgerechnet die grosse Konkurrentin am Paradeplatz: die UBS. Schon im Herbst 2022 hat sie sich auf dieses Szenario vorbereitet. Über Monate schaute sie der Rivalin beim Ausbluten zu – um dann im richtigen Zeitpunkt zuzubeissen.

Dieser Moment ist am Samstagmorgen gekommen. Die folgenden zwei Tage bringen drei Menschen zusammen, die sich danach wohl kaum mehr auf ein Bier treffen werden.

Den CS-Präsidenten Axel Lehmann, den Uneinsichtigen.

Den UBS-Präsidenten Colm Kelleher, den Strategen.

Bundesrätin Karin Keller-Sutter, die Vollstreckerin.

Lehmann, Kelleher und Keller-Sutter wissen: Was sie an diesem Wochenende verhandeln, daran wird man sie über Jahre hinweg messen. In jeder Rückschau auf ihr Leben wird stehen, wie sie während dieser zwei Tage verhandelt haben, wie sie kämpften, feilschten – oder eben untätig geblieben sind.

Dass die Verhandlungen ausgerechnet im «Bernerhof» stattfinden – einem einstigen Luxushotel, in dem Könige und Kaiser logierten –, mag den enormen Summen geschuldet sein, um die hier gestritten wird. Im heutigen Sitz des Eidgenössischen Finanzdepartements in Bern besiegeln die drei das Ableben der CS.

Und die Geburt der grössten Bank, die die Schweiz je gesehen hat.

Samstag, 11 Uhr 35: Blackrock arbeitet an konkurrierendem Übernahmeangebot für die Credit Suisse
Das Wochenende startet schlecht für den CS-Präsidenten Axel Lehmann. Die Behörden wollen ihn zwingen, seine Bank an die UBS zu verkaufen. Doch er will sich nicht geschlagen geben. Sogar in den letzten Stunden kämpft er weiter für seinen Plan A: die Rettung der ganzen Bank. Er hofft, dass die CS weitere Unterstützung durch Bund und Nationalbank erhält. Und dass sie dadurch eigenständig bleiben kann.

Gleichzeitig kursieren Gerüchte über mögliche Käufer. Aus gut informierter Quelle hat [Medium] erfahren, dass am Samstag über ein Kaufangebot aus Katar diskutiert worden sein soll. Eines, das beim Bundesrat noch für Empörung sorgen wird.

Doch auch andere Interessenten werden genannt. Die Deutsche Bank etwa, die einstige Skandalbank Europas. Am meisten Wirbel aber verursacht die Meldung, dass der riesige Fondsverwalter Blackrock Interesse zeige, vor allem an der CS-Vermögensverwaltung. Laut einem Insider sitzt sogar eine grosse Delegation von Blackrock für Verhandlungen in Zürich.

Plötzlich scheint Lehmann in einer stärkeren Position.

Samstag, 11 Uhr 51: Blackrock arbeitet nicht an einem Übernahmeangebot für die Credit Suisse
Doch als Informationen über die Blackrock-Verhandlungen nach aussen dringen – angeblich durch einen Verwaltungsrat der CS –, stoppen die Amerikaner die Verhandlungen abrupt.

Lehmann steht nun mit leeren Händen da. Nicht unverschuldet. Einen möglichen Deal mit Blackrock oder einer anderen Bank hätte er schon viel früher einfädeln können. Denn dass die Credit Suisse auf der Intensivstation lag, hätte der Präsident bereits wissen können, als er im Januar 2022 das oberste Amt der Krisenbank übernommen hat.

Aus dem CS-Umfeld ist zu hören, dass es zwar seit längerem eine Liste mit potenziellen Partnern gab. Eigentliche Fusionsverhandlungen habe man in den Monaten bis März aber nicht führen können. Die Begründung: Wären Informationen darüber nach aussen gedrungen, wäre die CS sofort wieder unter massivem Druck von aussen gestanden.

Die Angst vor einem weiteren Bank-Run war gross. Denn erst im Herbst 2022 hatte die CS-Führung erfahren, wie sich ein solcher anfühlt. In sozialen Netzwerken kursierte damals das Gerücht, dass eine Grossbank vor dem Kollaps stehe. Alle dachten sofort an die CS, reiche Grosskunden zogen schnell ihr Vermögen ab. Über 80 Milliarden Franken waren es allein im Oktober.

Alle Beteiligten wussten, einen zweiten solchen Bank-Run überlebt die CS nicht. Dennoch hielt die Bankspitze an ihrer Strategie fest: Sie nahm frisches Kapital auf, sparte und verkleinerte die Investmentbank.

Aber sie hatte keinen Plan B.

Axel Lehmann und sein CEO Ulrich Körner wollten vor allem eines: Optimismus verbreiten. Bei den Behörden, bei den Investoren, bei den Kunden. Die verlorenen Gelder würden schon wieder zurückfliessen, war die Botschaft. Alles wird gut.

Und siehe da, es wirkte. Der damalige Finanzminister Ueli Maurer erklärte, man müsse die Credit Suisse jetzt einfach in Ruhe lassen, ihr Zeit geben. Und so begann das Jahr 2023 ruhig. Einzelne Kunden kamen tatsächlich zurück.

Die CS unternahm wieder Gehversuche im Krankenhausflur. Doch es sollte nur das letzte Aufbäumen sein.

Anfang März gerieten zahlreiche amerikanische Regionalbanken in schwere Probleme, allen voran die Silicon Valley Bank. Die Amerikaner mussten übers Wochenende eine Rettung zusammenzimmern, doch unter Finanzexperten blieb die Stimmung mies. Etwas sagte ihnen: Die Krise ist noch nicht vorbei. Ihr Blick wanderte unweigerlich zur schwächsten Bank Europas: zur Credit Suisse.

Und so kam es, dass eine stümperhafte Aussage von Ammar al-Khudairy, dem Präsidenten des grössten CS-Aktionärs, in einem kurzen Interview am Rande einer Branchenkonferenz in Saudiarabien der eine Schlag zu viel war.

Frage des Journalisten: «Würden Sie der Credit Suisse mehr Geld geben, wenn Sie darum gebeten würden?»

Antwort Ammar al-Khudairy: «Absolutely not.»

Die Aussage von al-Khudairy ist nicht neu, aber Timing und Wortwahl missraten ihm. Al-Khudairy löst den zweiten Bank-Run der CS aus – den tödlichen.

Neben den reichen Privatkunden rennen nun auch die Profis zum Ausgang: die Pensionskassen und vor allem die anderen Banken. Niemand will mehr sein Geld bei der CS haben.

Es war der Mittwoch vor dem letzten Wochenende der Traditionsbank.

Samstag, 12 Uhr 26: Die UBS verlangt vom Bundesrat eine Absicherung
Die CS-Führung wird von der Krise komplett überrumpelt. Ruhiger ist die Stimmung bei der UBS. Auch sie spürt die Schockwellen, die sich aus Riad rasch um den Erdball verbreiten, und rüstet sich für die mögliche Übernahme der Rivalin.

Der UBS-Präsident Colm Kelleher soll seit seinem Amtsantritt im April 2022 gewitzelt haben, dass er sich vor «dem Anruf» fürchte. Dem Anruf der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma). Am Mittwoch erhält er ihn. Die Behörde zitiert Kelleher an ihre unwirtlichen Büros an der Zürcher Wasserwerkstrasse. Quellen aus dem UBS-Umfeld bestätigen damit, was [anderes Medium] ein erstes Mal ausführlich geschildert hat.

Der einzige Agendapunkt: Die UBS übernimmt die CS.

Es beginnen die verrücktesten Verhandlungstage, die der Schweizer Bankenplatz seit langem gesehen hat. Kelleher legt ein Blatt mit elf Forderungen auf den Tisch. Die wichtigsten: Staatsgarantien vom Bund, Liquiditätshilfen von der Schweizer Nationalbank und keine Probleme mit den Wettbewerbsbehörden – damit die UBS mit der Schweizer Einheit der CS machen darf, was sie will.

Von diesem Zeitpunkt an geht es nur noch darum, die Credit Suisse ins Wochenende zu retten. Denn ab diesem Mittwoch verliert die Bank Kundengelder im zweistelligen Milliardenbereich – täglich.

Um die Ziellinie überhaupt noch zu erreichen, erhält die Krisenbank am Mittwochabend 50 Milliarden Franken Liquiditätshilfe von der Nationalbank. Zusammen mit der Finma verschickt die SNB eine Medienmitteilung mit einer aus heutiger Sicht unverständlichen Botschaft:

«Die Credit Suisse erfüllt die an systemrelevante Banken gestellten Anforderungen an Kapital und Liquidität.»

Wegen der besänftigenden Mitteilung schöpfen einige Anleger Vertrauen und kaufen CS-Aktien. Sie werden es bereuen. Zwar stabilisiert sich am Donnerstag der Kurs, doch am Freitag geht es nur noch bergab. Die CS schafft es gerade noch knapp ins Wochenende.

Es ist Samstag, und die UBS-Spezialisten dürfen erstmals einen Blick in die Bücher der CS werfen. Sie wollen grob abschätzen können, wie viele Risiken in der Bilanz der Rivalin schlummern, bevor sie in die Verhandlungen mit Bund und CS einsteigen. Normalerweise dauern solche Prüfungen Monate, jetzt hat die UBS nur wenige Stunden Zeit.

Während die Spezialisten die Unmengen an Daten analysieren, sprechen die Präsidenten der beiden Banken erstmals über den Verkaufspreis. Colm Kelleher erhält gemäss [anderes Medium] während eines Abendessens im Edelitaliener «Cantinetta Antinori» in der Nähe des Paradeplatzes einen Anruf. Es ist der CS-Präsident Lehmann.

Kelleher teilt ihm mit, was er bereit ist für die Credit Suisse zu zahlen: eine Milliarde Franken.

Eine Milliarde Franken? Für eine der 30 global systemrelevanten Grossbanken? Noch vor wenigen Tagen wäre dieses Angebot ein schlechter Witz gewesen.

Sonntag, 12 Uhr 42: UBS bietet an, Credit Suisse für bis zu 1 Milliarde US-Dollar zu erwerben
Am Sonntagmorgen erhält die gesamte CS-Führung am Hauptsitz in Zürich Gewissheit über das beschämende Angebot. Und darüber, dass die Finma der Bank den Stecker zieht, sollte sie sich nicht verkaufen lassen.

Die Topmanager und Verwaltungsräte erreicht die schreckliche Nachricht am Paradeplatz, in einem ehrwürdigen Sitzungssaal mit Stühlen, die bereits seit der Firmengründung durch Alfred Escher da stehen. Sie reagieren unterschiedlich. Einige sind verzweifelt, wütend. Andere sind den Tränen nah. Auch die grossen CS-Aktionäre sind empört. Anwälte haben in ihrem Namen deshalb bereits einen Protestbrief an Finanzministerin Keller-Sutter aufgesetzt, der jetzt verschickt wird.

Lehmann sollte nun alles tun, um den Kaufpreis noch zu erhöhen. Alles andere würden ihm die Aktionäre nicht verzeihen. Die CS macht der UBS am Sonntag ein Angebot: Künftige Erträge aus Verkäufen der lukrativen CS-Liegenschaften sollen hälftig der UBS, hälftig den CS-Aktionären zugutekommen. Doch die UBS geht nicht darauf ein.

Axel Lehmann schreckt das nicht ab. Er hält weiter am Plan A fest. Der CS-Präsident sieht noch immer nicht ein, dass seine Bank seit Mittwoch klinisch tot ist – und nie mehr aufwachen wird. Auch dann noch, als er im «Bernerhof» mit dem Bundesrat zusammenkommt.

Lehmanns Sturheit verärgert Bundesbern – vor allem Karin Keller-Sutter. Sein Verhalten soll ihm laut [anderem Medium] sogar den unrühmlichen Spitznamen «Brian der Finanzindustrie» eingebracht haben, angelehnt an den renitenten Wiederholungsstraftäter Brian Keller.

Der Bundesrat gibt ihm zu verstehen, dass lediglich der Kaufpreis Verhandlungssache ist. Denn die Regierung weiss, dass die anderen beiden Alternativen keine Alternativen sind: eine Sanierung oder eine Abwicklung der CS, wie es die «Too big to fail»-Regeln eigentlich vorsehen.

Eine dritte Option, die temporäre Verstaatlichung der Credit Suisse, soll zwar seit November immer wieder hinter vorgehaltener Hand diskutiert worden sein. Der Bund habe für diesen Fall vor den Schlussverhandlungen sogar potenzielle Chefs angefragt, welche eine Staats-CS führen könnten. Die freisinnige Finanzministerin Keller-Sutter will dieses Szenario aber unbedingt vermeiden.

Also führt nichts daran vorbei, Axel Lehmann auf Kurs zu bringen. Es klappt. Am Ende sieht auch der CS-Präsident ein, dass der Kaufpreis der einzige Hebel ist, an dem er noch ziehen kann.

Sonntag, 17 Uhr 56: UBS stimmt zu, Credit Suisse zu kaufen
Mit viel Verspätung betreten nun die Mitglieder der UBS-Delegation das Verhandlungszimmer – und bemerken die sehr angespannte Stimmung. Sie erfahren, dass der Bundesrat zu einigen Konzessionen bereit ist, um Keller-Sutters Horrorszenario einer Verstaatlichung abzuwenden.

Sie willigt ein, die massiven Garantien zu sprechen, welche die UBS für die Zwangsheirat mit der CS verlangt. Dafür sollen die CS-Aktionäre am Ende doch 3 anstatt nur 1 Milliarde erhalten. Ein Deal, dem am Nachmittag beide Verwaltungsräte zustimmen.

2020 verhandelten UBS und CS schon einmal ernsthaft über eine Fusion. Damals hätte das Tauschverhältnis der Aktien etwa 2 zu 1 betragen. Nun liegt es bei 22 zu 1. Die Verbitterung der CS-Aktionäre ist nach diesem Wochenende gross.

Sonntag, 19 Uhr 35: Bundespräsident – «Das Vertrauen in die CS konnte nicht wiederhergestellt werden»
Um halb acht Uhr abends sind die Verhandlungen zu Ende. Es kommt zu einer historischen Pressekonferenz im Medienzentrum des Schweizer Bundeshauses. Sieben etwas abgekämpfte Menschen treten vor die Kameras der internationalen Medien. Mit dabei: der Stratege Colm Kelleher, die Vollstreckerin Karin Keller-Sutter, der Verlierer Axel Lehmann. Das Wochenende hat sie ermattet, dennoch lassen sie sich wenig anmerken.

Die Worte, die die letzten Hoffnungen auf ein Überleben der CS zunichtemachen, spricht nun aber Bundespräsident Alain Berset. Er sagt: «Diese Lösung, die Ihnen heute präsentiert wird, ist die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS.»

Dann ergreift Finanzministerin Keller-Sutter das Wort. Sie wird die Einzige sein, die klare Worte findet für das, was da auf dem Spiel gestanden ist. Flankiert von einer Schweizerfahne, erklärt sie: «Ein Ausfall der CS hätte gravierende volkswirtschaftliche Verwerfungen in der Schweiz und in anderen Ländern zur Folge gehabt.» Um das abzuwenden, habe der Bundesrat Notrecht angewendet.

Noch erwähnt sie die schweren Verstimmungen im «Bernerhof» mit keinem Wort.

Sonntag, 19 Uhr 43: Credit-Suisse-Pleite hätte schlimme Folgen gehabt
Während die Konferenz noch läuft, publizieren kurz nacheinander bereits UBS und CS ihre Communiqués. Es zeigen sich eklatante Unterschiede.

UBS: «UBS wird Credit Suisse kaufen.»

CS: «Credit Suisse und UBS schliessen sich zusammen.»

Für die Credit Suisse wird es die letzte eigenständige Medienmitteilung sein. Von nun an braucht sie immer das Okay der UBS-Spitze.

Sonntag, 20 Uhr 03: Ralph Hamers wird CEO der fusionierten Bank
Nun ist im Berner Medienzentrum der UBS-Präsident Colm Kelleher an der Reihe. Es ist schon fast Oscar-verdächtig, wie ruhig und abgebrüht er sich gibt. Kelleher bedankt sich für die Garantien, erwähnt die grossen Risiken für seine Bank. Doch er spricht vor allem über die grossartigen «opportunities», die nun auf die vereinigte Schweizer Grossbank warten.

Immer wieder zieht Kelleher seine linke Augenbraue hoch – und sieht dabei aus wie ein Schauspieler, der den Ernst der Lage mit Mimik unterstreichen muss. Sein Pokerface sitzt perfekt. Vor allem dann, als er verkündet, dass der bisherige UBS-CEO Ralph Hamers der künftige CEO der fusionierten Grossbank sein soll.

Doch Kelleher ahnt bereits, dass es vielleicht auch anders kommt. Dass er Sergio Ermotti, den früheren UBS-CEO, zurückholen will. Und Ralph Hamers vom Sessel stossen wird.

Kelleher, der kühle Stratege.

Sonntag, 20 Uhr 05: Lehmann – «das ist die beste Lösung»
Nun nimmt die Kamera jenen Mann in den Fokus, der für alle ersichtlich die Rolle des Verlierers einnehmen muss: den CS-Präsidenten Axel Lehmann. Er, der vier Tage später seinen 64. Geburtstag feiern wird, wirkt etwas müder als die anderen. Seine Augen sind glasiger. Doch auch Lehmann kann die Fassung bewahren. Er sagt: «Es ist ein historischer, trauriger und sehr herausfordernder Tag für die Credit Suisse, für die Schweiz und für die globalen Finanzmärkte.»

Doch Lehmann, der unerschütterliche Optimist, versucht auch dieser Situation das Beste abzugewinnen. «Die präsentierte Lösung ist die bestmögliche unter den derzeitigen Umständen», sagt er und fügt nach einer kurzen Pause an: «Somit ist klar: Wir müssen uns jetzt voll auf die Zukunft konzentrieren.»

Sonntag, 20 Uhr 35: Keller-Sutter – «Auch ich habe ein Konto bei der CS»
Die Einzige aber, die die Sprache des Volkes spricht, ist Karin Keller-Sutter. Als sie gefragt wird, ob die CS-Kunden nun ruhig schlafen könnten, wird sie persönlich. Sie sagt: «Schauen Sie, ich habe selber ein Konto bei der Credit Suisse. Ein Sparkonto, eine Hypothek. Also eine sehr breite Kundenbeziehung.»

Die Finanzministerin schafft es, den Poker des ganzen Wochenendes als Sieg der CS-Kundinnen und -Kunden zu verkaufen. Kein Wort zu ihrem Ärger über die uneinsichtigen Kaderleute der toten Bank.

Fast keines, denn einen Seitenhieb kann sich die Finanzministerin nicht verkneifen.

Sonntag, 20 Uhr 45: Keller-Sutter – «Sie können kulturelle Fehler nicht wegregulieren»
Keller-Sutter sagt: «Sie können Vertrauen nicht regulieren. Sie können, ich sage es jetzt, kulturelle Fehler nicht wegregulieren – das ist halt wieder eine andere Geschichte.» Dann folgt ein strafender Blick nach rechts, zu Axel Lehmann.

Es bleibt nicht bei der Rüge. Die Finanzministerin wird zwei Tage später einen Teil der letzten Boni für die CS-Banker ausradieren – um ein Zeichen zu setzen.

Wenig selbstkritisch reagiert Axel Lehmann, als er gefragt wird, wer für dieses Desaster verantwortlich sei. «Rückwärtszuschauen ist immer einfach», antwortet er lapidar. «Wir sind einfach eingeholt worden von Altlasten, von Risiken.» Auch wenn Lehmann damit zu guten Stücken recht hat und die eigentlichen Verantwortlichen für den Tod der CS längst weitergezogen sind: Zu oft haben die Schweizerinnen und Schweizer gehört, wie sich CS-Chefs halbbatzig für ihre Bank entschuldigen und sich mit Begriffen wie «Altlasten» gegen Kritik abschirmen.

Sowieso dürfte es Lehmann recht sein, dass dies die einzige wirklich kritische Frage bleibt. Über eine lange Zeit ist die Pressekonferenz sehr technisch. Dann auch, als es um die 16 Milliarden Franken an AT1-Anleihen der CS geht. Doch es ist genau dieser Punkt, der noch lange nachhallen wird. Denn die Finma löschte die Forderungen der Besitzer dieser Anleihen aus. Staranwälte aus der ganzen Welt schiessen sich seither auf die Schweiz ein – und fordern vom Land Milliarden zurück.

Nach 96 Minuten endet die Medienkonferenz. Der Adrenalinspiegel sinkt. In wenigen Stunden werden die asiatischen Märkte öffnen, später die Schweizer Börse. Dann wird sich zeigen, ob die Rettung erfolgreich war.

Viele CS-Akteure, die seit Monaten im Krisenmodus agierten und die seit Mittwoch praktisch durchgearbeitet haben, spüren erst jetzt ihre Erschöpfung – und die volle Bedeutung dieses Wochenendes. Die Credit Suisse, 167 Jahre Schweizer Bankengeschichte, wird verschwinden.

Ein würdigeres Ende?
Zurück bleibt die Frage, ob die CS ein würdigeres Ende hätte finden können – dann nämlich, wenn ihre Führungsriege einen Plan B gehabt hätte. Einen anderen Fusionspartner. Andere Käufer für werthaltige Unternehmensteile. Und damit vor allem Argumente für einen besseren Verkaufspreis.

Doch dafür hätte die Krisenbank im Krisenmodus funktionieren müssen und nicht im Wird-schon-gutgehen-Modus. Klar, Manager sind Optimisten, und wer einen Plan A hat, soll alles dafür tun, ihn umzusetzen. Doch Manager einer Krisenbank müssen auch für das Scheitern gewappnet sein – mit einem gut ausgearbeiteten Plan B.

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